Geschichten vom Überleben und dem Leben nach dem Holocaust

In der Ausstellung ?Die letzten Holocaust-?berlebenden in der Schweiz?, die heute im Archiv f¨¹r Zeitgeschichte der ETH Z¨¹rich beginnt, erz?hlen vierzehn Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, wie sie den Holocaust ¨¹berlebten und danach weiterlebten. Die Ausstellung wird bis zum 15. Juni 2017 verl?ngert.

von Florian Meyer
(Aktualisiert: )
Vergr?sserte Ansicht: survivors_nina_weil
Eine Geste, eine Geschichte: Nina Weil ¨¹berlebte die Konzentrationslager Theresienstadt und Auschwitz. Ihr wurde die Nummer 71978 eint?towiert. (Alle Bilder: Gamaraal Stiftung / Beat Mumenthaler)

Manche sprachen ihr Leben lang nicht dar¨¹ber. Andere erst im fortgeschrittenen Alter. Auch Nina Weil war schon ¨¹ber dreissig, als sie zum ersten Mal ¨¹ber den Holocaust sprach, und auch nur mit ihrem Mann. Viele Gespr?che zwischen den beiden vergingen, bevor Nina Weil ?ffentlich erz?hlen konnte, was sie in den Konzentrationslagern Theresienstadt und Auschwitz erlebte hatte. Wenn sie heute als eine der letzten Zeitzeuginnen in der Schweiz ¨¹ber die Verfolgung der Juden im Zweiten Weltkrieg spricht, dann tut sie dies unter ihrem M?dchennamen, weil das der Name ist, ?unter dem ich gelitten habe?. Zur Welt kam sie 1932 in Klattau (heute Tschechien). In der Schweiz leben sie und ihr Mann seit 1968, als sie nach der Zerschlagung der Reformbem¨¹hungen im Prager Fr¨¹hling Asyl erhielten.

Eduard Kornfeld kam 1949 in die Schweiz. An Lungentuberkulose erkrankt, verbrachte er vier Jahre im Sanatorium in Davos. W?hrend der Kur mussten die Patienten lange liegen. Da erz?hlten sie sich ihre Geschichten. So auch Eduard Kornfeld. Seither hat er nicht mehr geschwiegen. Immer wieder berichtete er ¨¹ber die ?ungeheuerlichen Erlebnisse?. Geboren wurde er 1929 in der N?he von Bratislava, heute Slowakei. Im Krieg war er in den Konzentrationslager Auschwitz und Dachau. Er ¨¹berlebte. Mit viel Gl¨¹ck und Durchhaltewillen. Diese Erfahrung hat ihn gelehrt, ?niemals aufzugeben?. Den heutigen Sch¨¹lerinnen und Sch¨¹lern, f¨¹r die der Zweite Weltkrieg schon weit in der Vergangenheit liegt, sagt er: ?Man muss alles hinterfragen. Man darf kein Mitl?ufer werden. Man muss eine eigene Meinung haben.?

Die eigenen Worte finden

Rund 450 Holocaust-?berlebende leben heute noch in der Schweiz. Die meisten kamen nach dem Zweiten Weltkrieg in die Schweiz. In der Film- und Fotoausstellung ?The Last Swiss Holocaust Survivors? schildern vierzehn Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, wie sie den Holocaust ¨¹berlebten und wie sie danach weiterlebten. Zu ihnen geh?ren Nina Weil und Eduard Kornfeld. Die Wanderausstellung ist vom 2. Mai bis zum 3. Juni 2017 im Archiv f¨¹r Zeitgeschichte der ETH Z¨¹rich zu sehen ¨C danach auch an anderen Orten. Entworfen hat sie die Gamaraal Stiftung, die sich f¨¹r bed¨¹rftige Holocaust-?berlebende einsetzt und sich in der Holocaust-Bildung engagiert. Das Archiv f¨¹r Zeitgeschichte hat die Ausstellung wissenschaftlich begleitet und organisiert F¨¹hrungen und eine Podiums-Diskussion ¨¹ber Holocaust-Education (vgl. Kasten). Die Ausstellung ist Teil der Aktivit?ten, die 2017 stattfinden, da die Schweiz f¨¹r ein Jahr den Vorsitz der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) ¨¹bernommen hat.

?Dann hat man mich t?towiert: 71978. Da habe ich sehr geweint. Denn ich hatte den Namen verloren, ich war nur noch eine Nummer.?Nina Weil, Holocaust¨¹berlebende

?In der Ausstellung erz?hlen Holocaust-?berlebende aus allen Landesteilen der Schweiz ¨¹ber ihre Lebensgeschichte?, erkl?rt Anita Winter, Gr¨¹nderin und Pr?sidentin der Gamaraal Stiftung. ?Dabei berichten sie von Erfahrungen und Erinnerungen, die teilweise kaum in Worte gefasst werden k?nnen.? Winters Vater geh?rte zu den 20¡®000 j¨¹dischen Fl¨¹chtlingen, denen im Zweiten Weltkrieg die Flucht in die Schweiz gelang. Ihre Mutter ¨¹berlebte in Frankreich. ?Holocaust-?berlebende m¨¹ssen ihre eigene, individuelle Erz?hlweise finden, wie sie ihre Erinnerungen teilen k?nnen, ohne dass es sie zu sehr belastet?, erg?nzt Gregor Spuhler, der Leiter des Archivs f¨¹r Zeitgeschichte.

Den Holocaust in Bildern sprechen lassen

Die Ausstellung setzt deshalb auf die Wirkung von Bild und Erz?hlung. Im Mittelpunkt stehen vierzehn grossformatige Portr?t-Fotos und gefilmte Interviews mit den Zeitzeugen. Alle Portr?tfotos sind schwarz-weiss. Zudem sind die Fenster im Seminarraum des Archivs schwarz abgedeckt und der Raum verdunkelt. Umso mehr ziehen die Gesichter auf den Fotos sofort die Blicke auf sich. So erzeugen die Portr?ts eine ungew?hnliche N?he zwischen Bild und Betrachter und wecken das Interesse an der Geschichte der ?berlebenden. Kurze Lebensl?ufe, Zitate und gefilmte Interviews orientieren ¨¹ber die vierzehn Einzelschicksale und erm?glichen eine Auseinandersetzung mit den ?berlebenden.

Sowohl der Fotograf Beat Mumenthaler als auch Regisseur Eric Bergkraut gestalten ihre Fotos und Filme einheitlich. Damit unterstreichen sie das gemeinsame Schicksal aller ?berlebenden. Die Individualit?t jeder Person kommt dann umso deutlicher in den verschiedenen Gesichtern und Erz?hlweisen zum Ausdruck. F¨¹r die Besucher wird der Holocaust dadurch pers?nlich, sichtbar und nachvollziehbar ¨C und man sp¨¹rt auch, wie sich bleibende Angst und Trauer mit dem Appell des ?Nie wieder? verbinden.

Eduard Kornfeld
?Da h?rte ich pl?tzlich ein Gebr¨¹ll auf Deutsch: ?Aussteigen! ? Ich schaute aus dem Viehwaggon, sah, wie die SS die Menschen pr¨¹gelten, damit sie schnell ausstiegen.?Eduard Kornfeld, Holocaust¨¹berlebender

Lebensgeschichten und historische Erkl?rung

An diesem Punkt setzt die Holocaust-Vermittlung an: ?Die k¨¹nstlerische Qualit?t der Fotos und der Filme erzeugen eine N?he zu den ?berlebenden, die ber¨¹hrt?, sagt Daniel Nerlich, stellvertretender Archivleiter, ?F¨¹r die Holocaust-Vermittlung in der Schweiz ist dieser Zugang durchaus neu.? Das Archiv f¨¹r Zeitgeschichte ist Teil des Instituts f¨¹r Geschichte der ETH Z¨¹rich und seit 1995 die offizielle Dokumentationsstelle f¨¹r j¨¹dische Zeitgeschichte. Wissensvermittlung ist neben der Erschliessung von historischen Dokumenten und Nachl?ssen ein Schwerpunkt des Archivs. Die F¨¹hrungen durch Ausstellung und Archiv sollen namentlich den jungen Generationen den Wert von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Toleranz vermitteln. Bereits haben sich 20 Schulklassen angemeldet.

?Die pers?nlichen Lebensgeschichten sind sehr wichtig, um f¨¹r den Holocaust und die damaligen Verbrechen zu sensibilisieren?, sagt Gregor Spuhler, ?Jedoch ergeben sie, selbst wenn man sie alle zusammensetzt, kein Gesamtbild, das den Holocaust historisch erkl?rt. Das kann man nur, wenn man den Blick ¨¹ber die Opfer hinaus auch auf T?ter und Zuschauer richtet und die historischen Prozesse und Strukturen miteinbezieht.?

Ausstellung und Podiums-Diskussion

?The Last Swiss Holocaust Survivors?

Vom 2. Mai bis 3. Juni 2017
Im Archiv f¨¹r Zeitgeschichte der ETH Z¨¹rich Hirschengraben 62, 8001 Z¨¹rich

?ffnungszeiten

Montag bis Freitag 9.00 bis 17.00 Uhr

?ffentliche F¨¹hrungen:

Mittwoch 03./10./17./24./31. Mai 2017, jeweils 12:30-13:00 Uhr
Dienstag 09./16./30. Mai 2017, jeweils 18:00-18:30 Uhr
Gruppenf¨¹hrungen nach Vereinbarung: .

Podiums-Diskussion ?Holocaust Education - wozu??

An einem Podiumsgespr?ch diskutieren im Mai Expertinnen und Experten ¨¹ber die Zukunft der wissenschaftlichen und didaktischen Aufarbeitung des Holocaust sowie ¨¹ber die Chancen und Risiken verschiedener Herangehensweisen.

23. Mai 2017, 18.00¨C19.15 Uhr
Archiv f¨¹r Zeitgeschichte der ETH Z¨¹rich
Hirschengraben 62, 8001 Z¨¹rich

Anlass mit Anmeldung: / 044 632 40 03

Ausstellung wird bis 15. Juni 2017 verl?ngert

Die Ausstellung ?The Last Swiss Holocaust Survivors?
im Archiv f¨¹r Zeitgeschichte wird bis zum 15. Juni 2017 verl?ngert.
Sie ist auch am Samstag, 3. Juni, ge?ffnet. Am Pfingstmontag, 5. Juni, hingegen bleibt sie geschlossen.

?ffentliche F¨¹hrungen:

Dienstag, 30. Mai / 6. und 13. Juni 2017, jeweils 18:00-18:30 Uhr
Mittwoch, 24. /31. Mai / 7. /14. Juni 2017, jeweils 12:30-13:00 Uhr

 

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